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Junge Frau steht unter einer Brücke und schaut nach links aus dem Bild heraus

Vater mit Kleid und Kette: Rita Nowak über ihre Geschlechtsumwandlung

Hellweger Anzeiger, 01.12.2021

UNNA, DORTMUND. Viele Jahrzehnte lebte die 64-Jährige aus Recklinghausen im falschen Körper. Warum sie heute ohne männliche Geschlechtsorgane mehr Frau als jede Frau ist, erklärte sie jetzt in Unna.

Ob „Cis-Mann“, „Femboy“ oder „TERF“: Rund um geschlechtliche und sexuelle Diversität sowie deren Diskriminierung hat sich inzwischen eine Sprache entwickelt, die nur wenige verstehen. Doch mit derartigen Vokabeln sollten sich nicht mehr nur Gendertheoretiker auseinandersetzen. Vor allem in der Sozialen Arbeit ist es wichtig, am Puls der Zeit und diskriminierungsfrei zu sein. Deshalb war Rita Nowak jetzt beim Frauenforum im Kreis Unna zu Gast. Sie referierte für Fachkräfte und Multiplikatoren. Mit Themen wie Trans- und Intersexualität kennt sich die 64-Jährige aus Recklinghausen nicht nur fachlich, sondern auch persönlich gut aus.

In kleiner Runde berichtete Rita Nowak in Unna aus ihrem Leben.

Rita Nowak wurde als Mann geboren, begann aber schon in der Kindheit, am eigenen Geschlecht zu zweifeln. „Ich schleppe das jetzt seit 60 Jahren mit mir rum“, sagt sie. Ihre Hormonbehandlung startete Nowak im Jahr 2013, 2015 folgten die notwendigen Operationen, um vollständig Frau zu werden. „Hormonell betrachtet bin ich jetzt mehr Frau, als ihr alle zusammen“, scherzte Nowak vor ihrem größtenteils weiblichen Publikum. Ihre Hoden wurden entfernt. Testosteron produziert ihr Körper jetzt gar nicht mehr.

Zwischen dem vierjährigen Rolf Nowak und der heutigen Rita liegt eine lange Zeitspanne im falschen Körper, in der Rita jung geheiratet und zwei Kinder gezeugt hat. Jetzt ist sie glücklich als Frau, liebt ihre Frau und ihre Kinder, wie sie sagt. Ob sie nun homo- oder heterosexuell ist und ob sich die Sexualität mit dem Geschlecht verändert? Kann, muss aber nicht. Und Rita Nowak ist es auch egal, wie ihre Sexualität bezeichnet wird. Sie vermittelt, dass alle Lebensformen gleich viel wert sind.

Was die notwendigen Operationen angeht, nimmt die 64-Jährige kein Blatt vor den Mund. In der ersten OP zur Frau war das Grobe dran. Wenige Monate später folgt eine Zweite. „Das ist dann der Feinschliff, manchmal sind die Schamlippen zu groß, oder Ähnliches.“ Es sei übrigens einfacher, aus einem Mann eine Frau zu machen, als umgekehrt. Und die Körbchengröße könne man sich aussuchen.

Vom Bart bis zu den Brüsten
Vom Bart bis zu den Brüsten, ob hormonell oder operativ: die Körpermerkmale, die dafür sorgen, dass man als Mann oder Frau „gelesen“ wird, sind veränderbar. Dass Transsexualität dabei als Krankheit angesehen wird, dürfte viele begrifflich stören – hat aber auch den Vorteil, dass die Geschlechtsumwandlung als Behandlung kostenfrei ist. Voraussetzung sind allerdings eine ganze Reihe von Formalitäten. Zwei psychologische Gutachten zählen dazu.

Als Rita Nowak jung war und Hilfe brauchte, gab es kaum Angebote und auch kein Internet, in dem sie sich über Transsexualität informieren konnte. Erst später stieß sie auf Angebote in Dortmund. Heute ist vieles einfacher, aber die Gesellschaft funktioniere noch nicht diskriminierungsfrei. Etwa in religiösen Kontexten gebe es viel Gewalt gegen Transsexuelle. Und viele würden auch heute noch ihren Arbeitsplatz verlieren.
Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter hatten eine Menge Fragen, die zeigten, dass das Thema in ihrem Alltag angekommen ist. Sei es eine dritte Toilette im Stadtteilzentrum – für alle, die noch kein eindeutiges Geschlecht haben, oder keines haben möchten. Oder es ging um die Suche nach qualifizierten Beratungsangeboten. Auch das Frauenforum muss sich etwa die Frage stellen, ob Frauen ins Frauenhaus aufgenommen werden, die mal ein Mann waren, und ab wann diese Frau sind …..

Diversität queerer Lebenswelten anerkennen
Um auf die anfangs erwähnten Begriffe zurückzukommen: ein Femboy ist ein junger Mann, der sich feminin kleidet und verhält, „TERF“ ist die Bezeichnung für eine feministische Strömung, die transfeindlich ist. Und „cis“ meint die Mehrheit der Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt. Für cis-geschlechtliche mögen all diese Begriffe und Themen zunächst befremdlich wirken. Rita Nowak stellte allerdings ohne erhobenen Zeigefinger eindringlich dar, wie wichtig es ist, die Diversität queerer Lebenswelten anzuerkennen.

Von Dagmar Hornung