Logo: Europäische Union / Europäischer Sozialfonds REACT-EU
Junge Frau steht unter einer Brücke und schaut nach links aus dem Bild heraus

Wenn das Frauenhaus der letzte Ausweg aus Gewalt und Unterdrückung ist

Hellweger Anzeiger 15.09.2021

Unna. Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter: Sie kann körperlich, seelisch, sexuell, aber auch ökonomisch oder sozial sein. Für einige Frauen ist eine sichere Unterbringung die Lösung.

Frauen, die sich in einer gewaltfreien Beziehung von ihrem Partner trennen, packen ihre Tasche und gehen. Aus welchen Gründen auch immer. Oder sie setzen den Mann vor die Tür. Für die Frauen, die im Frauenhaus im Kreis Unna Zuflucht finden, ist einfach „Ciao“ sagen keine Option. Sie sind Opfer oder bedroht von Gewalt und mussten aus ihrer Beziehung regelrecht fliehen.

Das Frauenform betreibt ein Frauenhaus, in dem Frauen ab 18 Jahre, manchmal auch mit ihren Kindern Unterschlupf finden. Aus Unna kommen die Frauen nur selten. Denn in der Regel sollten Bedrohte nicht dort untergebracht werden, wo der Mann sie finden kann.

„Es passiert schon mal, dass Männer dann das Auto der Frau zufällig bei uns sehen und immer wieder danach gucken“, beschreibt Sozialarbeiterin Michelle Taubert, wie auch einige ihrer Klientinnen von ihren Partnern aufgespürt wurden.

Für Frauen, die Gewalt erleben, sind Frauenhäuser oft die letzte Zuflucht.
© Foto DPA

Kein Geld, kein Handy, weil der Mann es so will

Wer ins Frauenhaus kommt, hat nicht einfach nur Beziehungsprobleme. Eine Frau braucht aber auch kein blaues Auge oder Schlimmeres, um entsprechenden Schutz zu erhalten. Die Formen von Gewalt sind vielfältig: „Oft ist es auch psychische Gewalt“, erklärt Taubert. Die Frauen werden bedroht, eingesperrt, und eingeschüchtert. Manchmal erhalten Sie kein Geld und dürfen nicht arbeiten gehen oder Freundinnen treffen. In solchen Fällen sprechen die Sozialarbeiterinnen von ökonomischer und sozialer Gewalt. Und nicht zuletzt gibt es auch in Beziehungen sexuellen Missbrauch bis hin zur Vergewaltigung.

Gewalt gegen Frauen komme in allen Schichten und Ländern vor, erklärt Michelle Taubert. Dass zu ihren Klientinnen trotzdem besonders viele Migrantinnen zählen, liegt daran, dass diese Frauen in Deutschland meist wenige bis gar keine Bezugspersonen haben. Es gibt keine Freundinnen, keine Familie, an die sie sich wenden können.

Michelle Taubert (l.) ist als Sozialarbeiterin für das Frauenhaus im Kreis Unna zuständig. Hier zeigt sie mit Birgit Unger, Geschäftsführerin des Frauenforums, einen der Isolierräume, die für die Corona-Zeit eingerichtet wurden.

Foto DRAWE

Manche Frauen scheitern am Durchhaltevermögen

Die größten Schwachstellen beim Schutz der Frauen sind ihre Kinder – oder die Frauen selbst: „Der Aufenthalt bei uns ist freiwillig“, erklärt die Sozialarbeiterin. Es gebe immer wieder Frauen, die auch nach schlimmen Erfahrungen wieder zu ihren Männern zurück möchten. Oft versuchen Väter, sich den Frauen zu nähern, oder sie suchen die Kinder auf. Das sei auch schwer zu verhindern. Vor allem, seit vor einigen Jahren die Rechte von Vätern per Gesetz gestärkt wurden.

In der Einrichtung erhalten Frauen neben der sicheren Unterkunft auch Beratung und Begleitung, etwa zu Behördengängen oder bei der Verarbeitung ihrer Gewalterfahrungen. Die Kinder werden betreut und die Frauen bei der Suche nach Wohnraum unterstützt.

Michelle Taubert bedauert allerdings, dass sie ihre Klientinnen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus schnell aus den Augen verliert. Eine Zeit lang konnten die Mitarbeiterinnen des Frauenforums mit dem geförderten Programm Second Stage dazu beitragen, dass die Frauen wieder in einem geregelten Leben ankommen. Mit neuer Wohnung, vielleicht neuem Job und der Emanzipation vom Partner. Doch die Förderung für diese wichtige Übergangshilfe ist ausgelaufen.

Der Aufenthalt in einem Frauenhaus ist nicht kostenfrei. Die Kosten werden nur übernommen, wenn Frauen ihre Unterbringung nicht selbst zahlen können. Das Frauenhaus des Frauenforums Unna zählt zu den Frauenhäusern, deren Adresse bekannt ist. Frauen, deren Leben bedroht ist, dürfen in Unna deshalb nicht untergebracht werden, erklärt Sozialarbeiterin Michelle Taubert.  Wer Hilfe braucht, erreicht die Einrichtung, sofern Plätze frei sind, am besten telefonisch.

Von Dagmar Hornung